„Wir bieten eine extrem forschungsnahe Master- und PhD-Ausbildung“

Die Max Planck School Matter to Life steht Bachelor-Absolventen aus den Fachbereichen Chemie, Physik, Biologie, Biochemie, Biotechnologie und Materialwissenschaften offen. Wer einen der jährlich 30 Plätze sicher hat, kann seine Projekte in einem der zwanzig in Deutschland berühmtesten Labore vorantreiben. Ein Interview zu Curriculum und Forschung der School mit dem Sprecher Joachim Spatz.

„Matter to Life“, das ist Thema Ihrer Max Planck School. Was ist darunter zu verstehen?

Joachim Spatz: Wir stellen eine elementare Frage: Was ist Leben? Und bei den Antworten geht es nicht um Philosophie, sondern wir wollen dies quantitativ aus der Sicht eines Physikers, Chemikers und Biologen erfassen. Das ambitionierte Ziel lautet: Das was Leben ausmacht in eine Formel zu packen. In den letzten dreißig, vierzig Jahren haben wir sehr viel gelernt, wie ein Organismus funktioniert, wie eine Zelle arbeitet. Es ist faszinierend, wie die Natur so etwas hinbekommt. Und jetzt geht es auch darum, so etwas selber zu bauen. Wir kennen die Bausteine; man kann das Lego-artig so kombinieren, dass eine funktionelle Hülle entsteht, in der Prozesse wie in lebenden Zellen ablaufen. Es geht nicht darum, Lebewesen zu kreieren, sondern lebensähnliche Funktionen nachzuahmen. Das ist eine ganz primitive Form von dem, was Leben ausmacht. Aber zugleich die Grundlage.

Was hat die Gesellschaft von dieser Forschung?

Joachim Spatz: „Was ich nicht bauen kann, das habe ich auch nicht verstanden“ – dieses Zitat stammt von dem Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman. Wenn wir Leben verstehen wollen, müssen wir es bauen können. Schritt für Schritt wie Ingenieure. So wird die funktionelle Hülle vielleicht robuster; es kommen Materialien oder Funktionen zum Vorschein, die die Natur selbst gar nicht so hervorgebracht hat. Das kann eine neue Form von Antibiotika, eine Zell- oder Organersatz sein. Wir alle wissen, dass Antibiotika in Verruf geraten sind, weil die Bakterien immer resistenter gegen die existierenden Mittel werden. Da muss also ein ganz neues Konzept her. Der Weg führt über die Immunbiologie: Ich schaue, wie der Körper sich selbst schützt und adaptiere bestimmte Aspekte, sodass Antibiotika ersetzbar würden. Das ist aktuell ein hypothetisches Szenario. Aber genau daran forschen wir beispielsweise in meiner Abteilung.

Können Sie „Matter to Life“ von Synthetischer Biologie abgrenzen?

Joachim Spatz: Synthetische Biologie betrachtet traditionell den lebenden Organismus, um ihn dann auf der molekularen Ebene genetisch zu modifizieren. Wir wollen ein Material und molekulare Bestandteile nehmen, was sicher nicht als lebend bezeichnet wird und dem daraus zu entwickelnden Materialsystem Leben einhauchen. Das ist der grundlegende Unterschied zu bisherigen Ansätzen in der Synthetischen Biologie. Synthetische Biologie gibt es schon lange. Wir stehen bei Matter to Life ganz am Anfang, und genau das ist die Aufgabe der Max Planck School, hier einen stabilen Boden zu legen. Das rechtfertigt auch den hohen Einsatz aller Beteiligten, finanziell wie auch zeitlich.

Was ist das Besondere an dieser Max Planck School?

Joachim Spatz: Wir haben ein Thema, das bisher an keiner Universität vollständig repräsentiert ist. Es werden sich viele Studenten dafür interessieren, da wir die besten Forscherinnen und Forscher an den zentralen Standorten in Deutschland zusammen haben. Heidelberg mit der Universität aber auch unser Max-Planck-Institut sind weltbekannt in den Lebenswissenschaften, der Chemie und der Physik sowie der Entwicklung von wichtigen Technologien in diesem Bereich. An der TU München ist sicher ein Schwerpunkt in der DNA-Nanotechnologie entstanden. Göttingen ist in der Physik der komplexen Systeme weltbekannt. Das spiegelt sich auch im Studiengang: Alle drei Unis werden den neuen Master Matter to Life anbieten, wobei die Spezialisierung in Heidelberg ist: Molecular Systems Chemistry and Engineering, in München Bioengineering und in Göttingen die Physik. Mit den Kollegen in Aachen am Leibniz-Institut für Interaktive Materialien und an den einzelnen Max-Planck-Instituten verteilt in der Republik sehen wir dieses Netzwerk von 50 Fellows als Riesenchance. Die wichtigsten nationalen Kolleginnen und Kollegen werden auf diese Weise erstmals zu diesem neuen Thema forschen. Und eben die Lehre, neben der Forschung, als zentrale Säule zu Matter to Life entwickeln.

Man kann also direkt nach dem Bachelor beginnen?

Joachim Spatz: Ja, wir bieten die durchgängige Master- und PhD-Ausbildung. Das ist auch ganz entscheidend, um international für die besten Studenten attraktiv zu sein. Gerade die Amerikaner und auch die Asiaten, die in die USA und nach Kanada gehen, entscheiden sich ja nach dem Bachelor, bei wem und wo sie promovieren wollen. Der Master ist in diesen Hochschulsystemen nicht so wichtig, er kommt quasi nebenher. Das aber heißt auch: Bereits mit dem Bachelor werden die Weichen gestellt bis nach der Promotion. Und diese Gleise sollen künftig zu uns führen. Dieses integrierte Konzept, Master plus PhD, bei sicherer und auskömmlicher Finanzierung, bei einem ganz neuen Forschungsthema – das ist hochattraktiv und wettbewerbsfähig mit internationalen Spitzeneinrichtungen. Das macht die Max Planck Schools auch zu einem wichtigen forschungspolitischen Beitrag für Deutschland.

Die Master-Studenten, etwa 30 pro Jahrgang sind geplant, entscheiden sich also von Beginn für eine Spezialisierung entsprechend des Standortes?

Joachim Spatz: Genau. Sie haben von Beginn ihren Studienort. Im ersten Semester gibt es vier oder fünf Vorlesungen, die für alle drei Standorte verpflichtend sind. Das wird per E-Learning realisiert. Also wenn es eine Vorlesung in Heidelberg ist, dann bekommen die beiden anderen Standorte das gestreamt. Und im zweiten Semester wird es speziellere, lokale Vorlesungen geben.

Können Sie schon mehr Details zum Curriculum nennen?

Joachim Spatz: Das Ausbildungskonzept befindet sich in der finalen Abstimmung mit den Universitäten. Aber klar ist, dass es ein sehr interdisziplinäres Curriculum sein wird. Die Studenten erhalten breite Bandbreite an unterschiedlichem Wissen, was sie jetzt nicht in einem reinen Physik- oder Chemiestudium bekommen würden. Zudem werden sie extrem forschungsnah studieren und promovieren, da sie sehr früh in die Labors gehen von Spitzenkollegen, nehmen sie Nobelpreisträger Stefan Hell. Schon im zweiten Jahr des Masterstudiums gibt es Lab-Rotations. Das sind nicht etwa Praktika, wo man mal reinschaut und eine Apparatur ausprobiert. Die Lab-Rotations basieren auf einem Forschungsprojekt, das zuvor zwei Fellows auf einer A4-Seite skizzieren und auf das sich Studenten bewerben können. Dann verbringt der Student eine Zeit bei dem einen und dann bei dem anderen Fellow. Mit dem Ziel, dazu eine Publikation zu schreiben, etwa für die Master-Thesis oder auch die Doktorarbeit.

Wenn sie mehrere Standorte haben, wie wollen Sie einen gemeinsamen Spirit schaffen?

Joachim Spatz: Wir haben ja ohnehin vier Hotspots: München, Heidelberg, Göttingen und Aachen, wo einfach die Konzentration der Fellows hoch sein wird. Das heißt, wir sind ohnehin im Austausch und wir werden uns zwei- oder dreimal im Jahr treffen. Wenn sich die Fellows treffen, sind auch die Studenten dabei. Zudem gibt es den Welcome Course, wo zum Studienstart alle beieinander sind, und die Summer School. Anderer Punkt sind College Homes an allen Standorten. Dort können die Studenten zusammenleben, kombiniert mit Gastdozentenwohnungen, was den Spirit an diesen Standorten stärkt. So kann es dann auch leicht einen Austausch geben, wenn ein Student von München nach Heidelberg wechselt für eine Lab-Rotation. Und die Studenten werden auch durch diese College Homes nach zehn oder zwanzig Jahren sagen, dass in diesen Häusern ihr Netzwerk für ihre Forscherkarriere entstanden ist.

Das Gespräch führte Jens Eschert

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